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Wissenschaftliche Erkenntnisse

Long Covid: wissenschaftliches Neuland

Wissenschaftler (jeglicher Geschlechtsidentität) bemühen sich seit Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie nach Kräften, Licht ins Dunkel zu bringen. Studien mit definitiv zuverlässigen Ergebnissen zu planen, durchzuführen und zu veröffentlichen erfordert viel Zeit oder unheimlich viel Geld. Dass nachweislich wirksame Impfstoffe gegen schwere Verläufe und Tod durch das Coronavirus bereits 1 Jahr nach Beginn der Pandemie zugelassen werden konnten, war nur durch aufwendige Studien möglich, für die sich Zehntausende Menschen als Probanden zur Verfügung stellten und an denen viele Forschungsteams weltweit beteiligt waren. Und durch den Einsatz großer finanzieller Mittel in kürzester Zeit. „Normalerweise“ dauern solche Studien mindestens 10 Jahre, vorausgesetzt, die Finanzierung ist sichergestellt.

Nun ist die wissenschaftliche Fragestellung, ob ein Impfstoff wirkt oder nicht, um Dimensionen einfacher zu untersuchen als Fragen wie:

  • was „Long Covid“ ist
  • wodurch es verursacht wird und
  • wie man es schnell, zuverlässig und sicher behandeln kann.

Deshalb kann heute niemand seriös behaupten, auf diese Fragen die endgültige „richtige Antwort“ zu kennen. Es wird geschätzt, dass derzeit mindestens 65 Millionen Menschen an „Long Covid“ leiden (siehe auch Abschnitt „Wie häufig ist Long Covid?“). Da kann man einfach nicht warten, bis alle offenen Fragen durch Studien eindeutig geklärt sind. Da muss man versuchen, aus dem, was bekannt ist, Schlüsse zu ziehen, Erfahrungen anderer zu prüfen und abzuwägen – und immer wieder auch den eigenen Standpunkt hinterfragen.

Wissenschaftler weltweit publizieren und diskutieren ihre Beobachtungen, Vermutungen und Überlegungen. Fast alle Verlage wissenschaftlicher Zeitschriften weltweit ermöglichen den kostenfreien Zugang zu allen Publikationen, die mit der Pandemie zu tun haben. In der weltweit größten medizinischen Datenbank (Medline) sind so inzwischen u.a. mehr als 350.000 Dokumente zu Covid-19 und Long Covid für jedermann frei verfügbar [1].

Auch wir suchen täglich nach neuen, aussagekräftigen Veröffentlichungen und überarbeiten und aktualisieren den Text auf dieser Seite laufend. Der Inhalt jeder Quellenangabe wurde durch Vergleich mit anderen, thematisch ähnlichen Publikationen auf Plausibilität geprüft (und dann die Quelle mit der höchsten wissenschaftlichen Reputation angegeben). Alle wesentlichen Informationen und Aussagen können anhand der Quellenangaben überprüft werden. Das erlaubt ggf. auch eine informierte, anders gelagerte Interpretation.

[1] https://support.nlm.nih.gov/knowledgebase/article/KA-05331/en-us

Was ist Long Covid?

Schon Ende Juni 2020, also wenige Monate nach Beginn der Pandemie, berichteten erste Publikationen, dass Menschen Wochen nachdem die akute Infektion abgeklungen war (also im Labortest keine Viren mehr nachweisbar waren) sich immer noch nicht gesund fühlten bzw. dass sogar neue Symptome auftraten und benutzten dabei den Begriff „Long Covid“ [1]. Inzwischen ist die Zahl von wissenschaftlichen Mittteilungen zu „Long Covid“ auf über 3000 gestiegen. Während die Virusinfektion selbst inzwischen viel von ihrer anfänglichen Schwere verloren hat, nehmen die Warnungen eher zu, dass Long Covid weiterhin eine ernsthafte Herausforderung auch für hochentwickelte Gesundheitssystem darstellt [2].
Viele Autoren unterschieden zwischen einer lange fortdauernden Symptomatik nach dem Ende der akuten Corona-Infektion („Long Covid“) und einer erst mehrere Wochen nach dem Abklingen der Akutsymptome neu einsetzenden Symptomatik („Post Covid“ oder „Post Covid Syndrom“), so z.B. auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) [3]. Da sich bis heute keine klaren Unterschiede in Bezug auf die Symptome, vor allem aber auch nicht auf die Therapie abzeichnen, werden immer häufiger für alle Formen von länger andauernden Beeinträchtigungen, für die ein Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2_Infektion plausibel ist, Begriffe wie „PASC“ verwendet, die Abkürzung für „Folgen einer Coronainfektion nach Ende der akuten Phase“ (Post Acute Sequelae of Corona infection) oder auch einfach „Long Covid“ als Oberbegriff für alle Varianten (vgl. [4]). So verwenden auch wir diesen Begriff.

[1] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=%22long+covid%22&filter=dates.2020%2F1%2F1-2020%2F6%2F30
[2] Al-Aly Z, Agarwal A, Alwan N, Luyckx VA. Long COVID: long-term health outcomes and implications for policy and research. Nat Rev Nephrol. 2023 Jan;19(1):1-2 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9628426/pdf/41581_2022_Article_652.pdf)

[3] https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/basisinformationen/long-covid-langzeitfolgen-von-covid-19/
[4] https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html

Welche Symptome sind typisch für Long Covid?

Derzeit beginnt die Wissenschaft so langsam Ordnung in die bunte Vielfalt der Symptome zu bringen, über die betroffene Menschen klagen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte Ende 2021 das Ergebnis einer weltweiten Expertenbefragung zu den typischen Symptomen [1]. Auch viele Publikationen versuchen dies mit langen Symptomlisten (z.B. [2, 3, 4]), die typischerweise verschiedenen Kategorien zugeordnet werden.
Forscher des King's College London in Großbritannien werteten Daten zu den Symptomen aus, die in einer Gesundheitsstudien-App des personalisierten Ernährungsunternehmens ZOE gesammelt wurden (Vorveröffentlichung: [5]). 1.459 von insgesamt 336.652 Teilnehmern berichteten über Post-COVID-Symptome, die mehr als 12 Wochen nach einer akuten COVID-19-Infektion (noch) vorhanden waren. Sie ließen sich in 3 Hauptgruppen einteilen: a) neurologische Symptome, b) Atemwegssymptome sowie c) systemische/entzündliche und abdominale Symptome. Zu den neurologischen Symptomen (den am häufigsten berichteten Long Covid-Symptomen) zählten sie Geruchs-/Geschmacksverlust, Gehirnnebel, Kopfschmerzen, Depression und Müdigkeit; Atemwegssymptome beinhalten eine mögliche Schädigung der Lunge und umfassen starke Kurzatmigkeit, Herzklopfen, Müdigkeit und Brustschmerzen. Systemische/entzündliche und abdominale Symptome sind vor allem Muskel-Skelett-Schmerzen, Anämie, Myalgien, Magen-Darm-Erkrankungen, Unwohlsein und Müdigkeit.
Über 1500 Experten aus 71 Ländern erarbeiteten 2022 eine Liste mit den wichtigsten Symptomen: physiologischen oder klinischen Symptomen einerseits und Auswirkungen auf das tägliche Leben andererseits [6].
Einer landesweiten Umfrage der Interessensgemeinschaft der Rentner in den USA (AARP, American Association of Retired Persons) zufolge führen Müdigkeit (57 %), Husten (34%) und kognitive Probleme wie "Gehirnnebel" (31%) die Liste an, gefolgt von Kurzatmigkeit (26%) und Konzentrationsschwierigkeiten (25%) [7]. Diese Symptome sind der Untersuchung zufolge "jedoch nur das halbe Bild. Genauso entscheidend ist, wie sehr diese Symptome tatsächlich die Fähigkeit einer Person verändern, ein normales Leben führen."

[1] https://www.who.int/publications/i/item/WHO-2019-nCoV-Post_COVID-19_condition-Clinical_case_definition-2021.1 bzw. (https://apps.who.int/iris/rest/bitstreams/1376291/retrieve)
[2] Healey Q, Sheikh A, Daines L, Vasileiou E. Symptoms and signs of long COVID: A rapid review and meta-analysis. J Glob Health. 2022 May 21;12:05014. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35596571/)
[3] Sudre CH, Murray B, Varsavsky T, Graham MS, Penfold RS, Bowyer RC, Pujol JC, Klaser K, Antonelli M, Canas LS, Molteni E, Modat M, Jorge Cardoso M, May A, Ganesh S, Davies R, Nguyen LH, Drew DA, Astley CM, Joshi AD, Merino J, Tsereteli N, Fall T, Gomez MF, Duncan EL, Menni C, Williams FMK, Franks PW, Chan AT, Wolf J, Ourselin S, Spector T, Steves CJ. Attributes and predictors of long COVID. Nat Med. 2021 Apr;27(4):626-631. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7611399/)
[4] https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/long-term-effects/index.html
[5] Canas LS, Molteni E, Deng J, Sudre CH, Murray B, Kerfoot E, Antonelli M, Chen L, Rjoob K, Pujol JC, Polidori L, May A, Österdahl MF, Whiston R, Cheetham NJ, Bowyer V, Spector TD, Hammers A, Duncan EL, Ourselin S, Steves CJ, Modat M.. Profiling post-COVID syndrome across different variants of SARS-CoV-2. medRxiv. July 31, 2022. (https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.07.28.22278159v1)
[6] Munblit D, Nicholson T, Akrami A, Apfelbacher C, Chen J, De Groote W, Diaz JV, Gorst SL, Harman N, Kokorina A, Olliaro P, Parr C, Preller J, Schiess N, Schmitt J, Seylanova N, Simpson F, Tong A, Needham DM, Williamson PR; PC-COS project steering committee. A core outcome set for post-COVID-19 condition in adults for use in clinical practice and research: an international Delphi consensus study. Lancet Respir Med. 2022 Jul;10(7):715-724. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9197249/)
[7] https://www.aarp.org/health/conditions-treatments/info-2022/long-covid-symptoms.html)

Was sind die Ursachen von Long Covid?

Eine möglicherweise entscheidende Erkenntnis (für das Verständnis wie für Überlegungen zur Therapie) ist die Vermutung, dass es sich vielleicht gar nicht um eine einzige Krankheit handelt. In einer Übersichtsarbeit in der weltweiten Nummer 1 der naturwissenschaftlichen Fachzeitschriften (Science [1]) wird u.a. C. Ghossein-Doha von der Universität Maastricht, Mitverantwortliche der größten niederländischen Long Covid-Studie [2] zitiert, für die die derzeit größte Hürde ist, „dass wir alles "Long Covid" nennen. Das impliziert, dass es sich um eine einzige Krankheit handelt. Alle Studien zu diesem Problem zeigen, dass genau das nicht der Fall ist.“ Genau diese Erkenntnis erscheint besonders hilfreich für das Verständnis, warum so viel unterschiedliche Symptome im Zusammenhang mit Long Covid aufgeführt werden. Benannt werden in dieser Publikation 3 Hauptursachen: a) kleine Blutgerinnsel, b) persistierende Viren und c) ein „verrücktspielendes Immunsystem“ (englisch „Haywire immune system“, was so viel bedeutet wie ”außer Rand und Band”, „durchgeknallt“, „durchgedreht“). Dass dem Immunsystem eine Schlüsselrolle zukommt, lässt sich auch durch mathematische Modelle gut belegen [3].
Komplexe Störungen unterschiedlicher Funktionen des Immunsystems können auch nach einem leichten Verlauf einer Covid-19-Infektion auftreten und viele Monate anhalten [4, 5]. Vieles deutet inzwischen darauf hin, dass essentielle Regelkreise des Körpers gestört sind (diese inneren Steuerungsmechanismen werden durch das sog. autonome oder vegetative Nervensystem geregelt, komplexe Störungen bezeichnet man als Dysautonomie) [6]. Zu einigen Aspekten von Long Covid wächst inzwischen das Wissen um die zu Grunde liegenden Mechanismen [7]. Es zeichnet sich auch ab, dass wiederholte Infektionen jedes Mal ein erneutes Risiko auf eine Long Covid-Erkrankung in sich bergen [8].

 

[1] Couzin-Frankel J. Clues to long COVID. Science. 2022 Jun 17;376(6599):1261-1265 (https://www.science.org/content/article/what-causes-long-covid-three-leading-theories)
[2] Ghossein-Doha C, Wintjens MSJN, Janssen EBNJ, Klein D, Heemskerk SCM, Asselbergs FW, Birnie E, Bonsel GJ, van Bussel BCT, Cals JWL, Ten Cate H, Haagsma J, Hemmen B, van der Horst ICC, Kietselaer BLJH, Klok FA, de Kruif MD, Linschoten M, van Santen S, Vernooy K, Willems LH, Westerborg R, Warle M, van Kuijk SMJ. Prevalence, pathophysiology, prediction and health-related quality of life of long COVID: study protocol of the longitudinal multiple cohort CORona Follow Up (CORFU) study. BMJ Open. 2022 Nov 29;12(11):e065142. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36446465/)
[3] Sumi T, Harada K. Immune response to SARS-CoV-2 in severe disease and long COVID-19. iScience. 2022 Aug 19;25(8):104723. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9251893/)
[4] Phetsouphanh C, Darley DR, Wilson DB, Howe A, Munier CML, Patel SK, Juno JA, Burrell LM, Kent SJ, Dore GJ, Kelleher AD, Matthews GV. Immunological dysfunction persists for 8 months following initial mild-to-moderate SARS-CoV-2 infection. Nat Immunol. 2022 Feb;23(2):210-216 (https://www.nature.com/articles/s41590-021-01113-x.pdf)
[5] Hopkins FR, Govender M, Svanberg C, Nordgren J, Waller H, Nilsdotter-Augustinsson Å, Henningsson AJ, Hagbom M, Sjöwall J, Nyström S, Larsson M. Major alterations to monocyte and dendritic cell subsets lasting more than 6 months after hospitalization for COVID-19. Front Immunol. 2023 Jan 4;13:1082912. (https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fimmu.2022.1082912/full)
[6] Davis HE, McCorkell L, Vogel JM, Topol EJ. Long COVID: major findings, mechanisms and recommendations. Nat Rev Microbiol. 2023 Jan 13:1–14. (https://www.nature.com/articles/s41579-022-00846-2.pdf)
[7] Astin R, Banerjee A, Baker MR, Dani M, Ford E, Hull JH, Lim PB, McNarry M, Morten K, O'Sullivan O, Pretorius E, Raman B, Soteropoulos DS, Taquet M, Hall CN. Long COVID: mechanisms, risk factors and recovery. Exp Physiol. 2023 Jan;108(1):12-27 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10090408/)
[8] Bowe B, Xie Y, Al-Aly Z. Acute and postacute sequelae associated with SARS-CoV-2 reinfection. Nat Med. 2022 Nov;28(11):2398-2405 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9671810/).

Wie häufig ist Long Covid?

Diese Frage kann derzeit wohl niemand präzise beantworten, obwohl inzwischen die Ergebnisse einer ganzen Reihe großer Studien publiziert wurden. Ein Befund scheint sich aber recht zuverlässig abzuzeichnen: In den ersten beiden Corona-Jahren 2020 und 2021 war die Inzidenz von Long Covid, also der Anteil Betroffener pro 100 Menschen mit bestätigter Corona-Infektion etwa doppelt so hoch wie im Jahr 2022 [1]. Der Grund dafür könnte sein, dass die sog. Omikron-Variante des Virus, die für so gut wie alle Infektionen seit Beginn des Jahres 2022 verantwortlich ist, weniger „gefährlich“ ist als die in den ersten beiden Jahren vorherrschenden Varianten. Es könnte aber genauso gut daran liegen, dass ein trainiertes Immunsystem mit einer Infektion besser zu Rande kommt als ein völlig unvorbereitetes.
Bis Ende 2021 waren ca. 6 Millionen Infektionen offiziell registriert, sodass zu diesem Zeitpunkt wohl etwa 90% der Bevölkerung noch nicht mit dem Virus in Kontakt gekommen waren. Auch der Impfschutz in der Bevölkerung nahm seit Beginn der Impfungen Anfang 2021 erst langsam zu. Eine weitere plausible Erklärung wäre, dass in den ersten beiden Jahren bei Menschen schon mit vagem Verdacht auf eine Coronainfektion fast immer ein PCR-Test gemacht wurde, dass aber diese Tests, die die Voraussetzung für Aufnahme in die Statistik sind, mit zunehmender Pandemiedauer immer weniger häufig veranlasst wurden, also bei immer mehr Menschen mit einer Coronainfektion die Infektion nicht nachgewiesen wurde. Im Jahr 2022 wurden trotzdem ca. 30 Millionen Infektionen statistisch erfasst, Fachleute gehen davon aus, dass die Dunkelziffer, also die nicht erfassten Fälle mindestens noch einmal so groß ist.
Ein internationales Team von Wissenschaftlern errechnete bei einer Analyse von insgesamt 57 Studien zu Long Covid, dass im Durchschnitt jeder 2. Covid-19-Erkrankte über länger als 6 Monate andauernde Beschwerden berichtete [2]. Aktuelle Zahlen des Nationalen Statistikbüros (Office of National Statistics, ONS) in Großbritannien gehen davon aus, dass derzeit knapp 2 Millionen Menschen an Long Covid leiden (etwa 3% der Bevölkerung), 70% davon länger als 1 Jahr und dass bei 20% die tägliche Lebensführung stark eingeschränkt ist [3]. In den USA lag die Häufigkeit einer Long Covid-Erkrankung nach einer Coronainfektion im Juni 2022 bei 19% (also jeder 5. Coronainfizierte), im Januar 2023 bei 11% (etwa jeder 10. Coronainfizierte) [4]. Anders als in diesen Ländern gibt es in Deutschland keine unmittelbare Möglichkeit, auf Datenregister mit entsprechenden Informationen zurückzugreifen. Es scheint aber realistisch davon auszugehen, dass nach etwa 5% bis 10% aller Coronainfektionen eine Long Covid-Erkrankung zu erwarten ist. Das wären allein für das Jahr 2022 eine Zahl in einer Größenordnung von 4 bis 8 Millionen Betroffene.

[1] Antonelli M, Pujol JC, Spector TD, Ourselin S, Steves CJ. Risk of long COVID associated with delta versus omicron variants of SARS-CoV-2. Lancet. 2022 Jun 18;399(10343):2263-2264. (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9212672/)
[2] Groff D, Sun A, Ssentongo AE, Ba DM, Parsons N, Poudel GR, Lekoubou A, Oh JS, Ericson JE, Ssentongo P, Chinchilli VM. Short-term and Long-term Rates of Postacute Sequelae of SARS-CoV-2 Infection: A Systematic Review. JAMA Netw Open. 2021 Oct 1;4(10):e2128568. (https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2784918)
[3] https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/healthandsocialcare/conditionsanddiseases/bulletins/prevalenceofongoingsymptomsfollowingcoronaviruscovid19infectionintheuk/30march2023
[4] https://www.kff.org/policy-watch/long-covid-what-do-latest-data-show/

Ist Long Covid (auch) eine lange bekannte Erkrankung?

Datenbanken erlauben typischerweise den schnellen Zugriff auf bestimmte Informationen, medizinische Sachdatenbanken etwa auf medizinische Veröffentlichungen. Damit Publikationen nicht nur dann gefunden werden, wenn die Autoren dieselben Begriffe verwendet haben, mit denen Interessierte suchen, besitzen viele Datenbanken einen sog. Schlagwortkatalog mit Begriffen, von denen besonders gut passende von erfahrenen Mitarbeitern einzelnen Publikationen zugeordnet werden. In der weltweit größten medizinischen Fachdatenbank (Medline) lassen sich über den Schlagwortkatalog dieser Datenbank hochinteressante Erkenntnisse zum Verständnis um Long Covid gewinnen.
Das Schlagwort "chronisches Erschöpfungssyndrom" (chronic fatigue syndrome, CFS) wurde von der WHO bereits 1969 klassifiziert und in Medline bereits im Jahr 1990 eingeführt. Unter diesem Schlagwort [1] sind Synonyme gelistet, z.B. "postvirales Erschöpfungssyndrom" (Postviral Fatigue Syndrome). Es war ganz offensichtlich schon vor mehr als 30 Jahren gut bekannt, dass sich nach Virusinfektionen ein lange anhaltendes Erschöpfungssyndrom entwickeln kann [2]. Ein weiteres Synonym lautet "chronisches Erschöpfungs- und Immunstörungssyndrom" (Chronic Fatigue and Immune Dysfunction Syndrome).
Oft wird die Abkürzung CFS zusammen mit einer weiteren Störung genannt, der Myalgischen Enzephalomyelitis, und als CFS/ME bezeichnet und als eine „eine neuroimmunologische Multisystemerkrankung“ beschrieben. Die Überlappung bzw. der Zusammenhang mit Long Covid wird immer deutlicher [3]. Typischerweise leiden ME/CFS Betroffene unter einer extrem beeinträchtigten Leistungsfähigkeit, die von schwerer körperlicher wie geistiger Erschöpfung begleitet wird und mindestens 6 Monate andauert [4].
Ähnliche unklare, beeinträchtigende Erschöpfungszustände sind schon lange auch nach anderen schwereren Erkrankungen bekannt. Eine einfache Google-Suche mit den Begriffen „post cancer fatigue“ ergibt über 130 Millionen Fundstellen. In einem Essay zu diesem Thema erklären Spezialisten der berühmten amerikanischen Mayo-Klinik diese Erschöpfungszustände u.a. damit, dass der Körper seine ganze Kraft auf die Reparatur von Schäden konzentriert, die von der Akutbehandlung herrühren [5].

[1] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/mesh/?term=fatigue+syndrome%2C+chronic
[2] Behan PO, Behan WM. Postviral fatigue syndrome. Crit Rev Neurobiol. 1988;4(2):157-78.
[3] Sorg AL, Becht S, Jank M, Armann J, von Both U, Hufnagel M, Lander F, Liese JG, Niehues T, Verjans E, Wetzke M, Stojanov S, Behrends U, Drosten C, Schroten H, von Kries R. Association of SARS-CoV-2 Seropositivity With Myalgic Encephalomyelitis and/or Chronic Fatigue Syndrome Among Children and Adolescents in Germany. JAMA Netw Open. 2022 Sep 1;5(9):e2233454. https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2796733
[4] https://www.meduniwien.ac.at/web/forschung/projekte/computer-based-clustering-of-chronic-fatigue-syndrome-patients/allgemeine-informationen/
[5] https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/cancer/in-depth/cancer-fatigue/art-20047709

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